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Unter hilfetelefon.de oder der Nummer 08000-116016 können sich von Gewalt betroffene Frauen Beratung und Hilfe suchen. Ich möchte hier mal den Newsletter empfehlen. Die Unten stehenden Artikel „Gewalt gegen Frauen mit technischen Hilfsmitteln und digitalen Medien“ und das Interview mit Theresa Eberle zum Thema „Digitale Gewalt: Formen, Auswirkungen und Schutz“ stammen aus diesem Newsletter. Die beiden Texte werden hier mit freundlicher Genehmigung durch das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben veröffentlicht.


Aus dem Newsletter 3/2022 des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“, Copyright: Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben

Gewalt gegen Frauen mit technischen Hilfsmitteln und digitalen Medien

Handyüberwachung, Cyberstalking und Profilmissbrauch sind Formen digitaler Gewalt

Viele Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen, kennen digitale Gewalt. Diese geht oftmals von Unbekannten aus. Doch digitale Gewalt tritt auch im sozialen Nahbereich auf: im Kontext von konfliktreichen (Ex-)Beziehungen oder Konstellationen, bei denen z. B. partnerschaftliche Interessensbekundungen abgewiesen werden oder wurden.

Wie wird digitale Gewalt definiert?

Der Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) in Deutschland hat folgende Definition für digitale Gewalt erarbeitet: „Digitale Gewalt ist ein Oberbegriff für Formen von geschlechtsspezifischer Gewalt, die sich technischer Hilfsmittel und digitaler Medien (Handy, Apps, Internetanwendungen, Mails etc.) bedienen und/oder geschlechtsspezifische Gewalt, die im digitalen Raum, z.B. auf Online-Portalen oder sozialen Plattformen stattfindet. Digitale Gewalt funktioniert nicht getrennt von ,analoger Gewalt‘, sie stellt meist eine Ergänzung oder Verstärkung von Gewaltverhältnissen und -dynamiken dar.“

Weitere Informationen sind auf der Webseite www.aktiv-gegen-digitale-gewalt.de/de zu finden.

Auch das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ hält Informationen zu den digitalen Formen der Herabsetzung, Belästigung und Diskriminierung bereit. Mehr dazu hier.

Digitale Gewalt wird oft zu spät bemerkt

Es gibt unterschiedliche Formen und Ausprägungen digitaler Gewalt. Hier in Kurzform drei häufig angewendete Formen von digitaler Gewalt, die Betroffene oft erst zu spät bemerken:

Handyüberwachung: Obwohl das Abhören und jegliche Form der Computerüberwachung illegal sind, werben zahlreiche Shops im Internet offen mit ihren Angeboten zur Überwachung von Mobiltelefonen mit speziellen Softwareprogrammen zur Überwachung. Sie ermöglichen unter anderem Gespräche aufzunehmen, Nachrichten abzufangen und Aktivitäten zu speichern.

Cyberstalking: Stalking bezeichnet ein willentliches, häufig wiederkehrendes und beharrliches Verfolgen und Belästigen einer anderen Person über einen längeren Zeitraum. Der Kontakt wird gegen den Willen der Person hergestellt. Betroffene werden belästigt und verfolgt, bedroht, genötigt oder auch erpresst. Cyberstalking ist Stalking durch E-Mails, Beiträge und Nachrichten über Messenger, Chats oder andere soziale Netzwerke und digitale Medien.

Profilmissbrauch: Ein Missbrauch von Daten liegt vor, wenn unbefugte Dritte sich Passwörter oder sonstige Sicherheitscodes verschafft haben und Daten oder Sicherungscodes ohne Erlaubnis an andere weitergeben. Zum Beispiel, um Geld vom Konto abzubuchen oder um Waren im Internet zu bestellen. Oder um mit den missbräuchlich genutzten Daten ein verfälschtes Profil in sozialen Netzwerken zu erstellen oder verfälschte E-Mail-Accounts (Fake-Accounts) einzurichten. Dabei werden Profile erstellt, die die Identität missbrauchen. Jemand postet unter dem Namen der Betroffenen Nachrichten, Bilder oder Videos mit verletzendem Inhalt.

Links dazu:
HateAid
Frauenhauskoordinierung.de
Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten


Aus dem Newsletter 3/2022 des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“, Copyright: Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben

Digitale Gewalt: Formen, Auswirkungen und Schutz

Ein Interview mit Theresa Eberle, Leiterin des Projekts „Schutz vor digitaler Gewalt und Datensicherheit“ beim Verein Frauenhauskoordinierung

Der Verein Frauenhauskoordinierung fördert und unterstützt Frauenhäuser und Fachberatungsstellen in ganz Deutschland mit fachlicher Beratung und bei den politischen Aspekten ihrer Arbeit. Referentin Theresa Eberle spricht im Interview über den Umgang mit digitaler Gewalt, neue Schutzkonzepte und Beratungsmöglichkeiten.

Der Verein Frauenhauskoordinierung bietet unter dem Hashtag #SicherUndSelbstbestimmt ein Informationsangebot zum Schutz vor digitaler Gewalt an. Ziel ist, die Beraterinnen und Berater in Frauenhäusern und Fachberatungsstellen für digitale Gewalt zu sensibilisieren. Wie stark ist der Beratungsbedarf bei dem Thema gestiegen?

Der Bedarf ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Denn es gibt inzwischen mehr Wege, häusliche Gewalt digital weiterzuführen, unter anderem durch neue technische Entwicklungen. Ein Beispiel dafür sind kleine Ortungsgeräte, wie die Apple AirTags, die zur Überwachung der Partnerin in die Handtasche gesteckt oder am Auto befestigt werden.

Aber es wurde in den letzten Jahren auch mehr Wissen über digitale Gewalt vermittelt. Dadurch erkennen Frauenhausmitarbeiterinnen und -mitarbeiter die verschiedenen Formen von digitaler Gewalt häufiger als noch vor ein paar Jahren. Es gibt dennoch einen großen Bedarf, sowohl von Betroffenen als auch von Frauenhausmitarbeitenden, mehr über das Thema digitale Gewalt zu erfahren, darüber, welche Formen von digitaler Gewalt es gibt und welche Schutzmaßnahmen ergriffen werden können.
 

Was unterscheidet den Umgang mit digitaler Gewalt von dem mit Gewalt im analogen Raum – für Beratende, aber auch für Betroffene?

Es gibt viele Überschneidungen zwischen analoger und digitaler Gewalt. Deshalb helfen bei digitalen Gewaltformen oft dieselben strategischen Maßnahmen, die man auch bei analoger Gewalt anwendet, zum Beispiel bei Stalking. Bei beiden Gewaltformen wird auch betrachtet, aus welcher Motivation heraus der Täter oder der Gefährder handelt.

Die Herausforderung ist natürlich, dass die Betroffenen sehr darunter leiden, dass digitale Gewalt rund um die Uhr erfolgen kann. Im Frauenhaus sind die Betroffenen vor analoger Gewalt geschützt. Doch die digitale Gewalt geht weiter. Hier sind weitere Schutzmaßnahmen wichtig.

Dazu kommt, dass digitale Gewalt schwer greifbar ist. Es ist für Betroffene oft nicht festzustellen, auf welche Art sie zum Beispiel geortet wurden. Da gibt es so viele unterschiedliche Möglichkeiten, beispielsweise durch die Installation von Stalkerware auf dem Gerät, durch einen geteilten E-Mailaccount oder einen gemeinsamen Kalender, auf den auch der Gefährder zugreifen kann.
 

Welche Herausforderungen ergeben sich in der Beratung?

Die Beratung zu digitaler Gewalt ist sehr zeitintensiv. Wir vom Verein Frauenhauskoordinierung möchten die Wissensaneignung für die Beraterinnen und Berater vereinfachen, wollen aufklären, welche technischen, juristischen und psycho-sozialen Schutzmaßnahmen möglich sind und zeigen, wie die Sensibilisierungsarbeit durch medienpädagogische Ansätze erleichtert werden kann. Also: Wie können die Bewohnerinnen von Frauenhäusern und ihre Kinder für das Thema digitale Privatsphäre sensibilisiert werden? Für Kinder gibt es zum Beispiel spielerische Möglichkeiten, auf das Thema aufmerksam zu machen.
 

Die digitale Gewalt hat viele Formen. Für welche sensibilisieren Sie vor allem?

In Frauenhäusern sind viele Formen von Cyberstalking, wie Ortung und Überwachung, unerwünschte Kontaktaufnahmen, Identitätsdiebstahl und -missbrauch oder die Veröffentlichung intimer Fotos und Videos sehr präsent. Deswegen informieren wir grundsätzlich auch viel über das Thema Cyberstalking, um effiziente Methoden zu entwickeln, strategisch dagegen vorzugehen.
 

Wie wirkt sich digitale Gewalt aus auf die Lebensqualität von Frauen und Familien?

Viele Betroffene leiden besonders unter den psychischen Folgen der digitalen Gewalt, also unter Angst und Ohnmachtsgefühlen. Besonders wenn sie in den sozialen Medien bloßgestellt werden, kreiert das Schamgefühl und Selbstzweifel. Zusätzlich führen intime oder gefälschte Bilder in den sozialen Medien nicht selten zu einer Isolierung der Frauen von ihren Freundinnen und Freunden und ihrer Familie, weil sie sich aus Scham nicht mehr trauen, diese zu kontaktieren. Digitale Gewalt kann auch körperliche Folgen haben: Schlaflosigkeit, Panikattacken und Nervenzusammenbrüche.

Manche digitalen Gewaltformen haben schwerwiegende ökonomische Folgen. Intime oder gefälschte Bilder in den sozialen Medien führen besonders für Selbstständige oder Personen, deren Image für den Beruf wichtig ist, oft zu großen beruflichen Konsequenzen. Identitätsdiebstahl verursacht mitunter hohe finanzielle Schäden, zum Beispiel, wenn Waren illegal online über die Kontodaten der Betroffenen bestellt werden.
 

Wo finden Betroffene von digitalen Straftaten geeignete Anlaufstellen? An wen können sie sich wenden, wenn sie Opfer digitaler Gewalt geworden sind?

Man kann als erste Anlaufstelle das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ anrufen und dann weitervermittelt werden. Betroffene haben außerdem die Möglichkeit, sich direkt an Fachberatungsstellen zu wenden oder je nach Situation an ein Frauenhaus in der Nähe bzw. an die Polizei, wenn eine Anzeige gewünscht ist.

Je nach digitaler Gewaltform sind unterschiedliche Institutionen zuständig: Auf bildbasierte digitale Gewalt hat sich die Organisation ANNA NACKT spezialisiert, Beratung und Hilfe bei Hatespeech finden Betroffene bei der Organisation HateAid. Leider nur sehr selten gibt es Anlaufstellen für IT-Beratung bei Cyberstalking. In Berlin finden Frauen Unterstützung im FRIEDA-Frauen*zentrum. Andere Bundesländer haben allerdings noch keine öffentlichen Anlaufstellen dafür. Aus meiner Sicht bräuchten wir noch viel mehr dieser spezifischen Beratungsstellen bei digitaler Gewalt.