Private können es einfach besser

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«Privateigentümer müssen ermutigt und nicht eingegrenzt werden.» Udo di Fabio, Richter am Bundesverfassungsgericht a. D. (1)

Eine immer wieder gern gehörte Argumentation in Sachen Wohnungsbau. Die Rosa Luxemburg Stiftung hat sich in ihrer Publikation Muss Wohnen immer teurer werden? – Mythen und Behauptungen über Wohnen, Mieten, Kaufen damit beschäftigt und gibt Antworten auf diese Behauptung:


Wie wird argumentiert?

Wann immer eine umfassendere staatliche Regulierung der Wohnungsmärkte oder eine Stärkung von öffentlichen Wohnungsunternehmen gefordert wird, ist das Gegenargument von den angeblich überlegenen Marktmechanismen nicht weit. Nicht nur in wirtschaftsliberalen Kreisen ist der Glaube fest verankert, auch für das Gut Wohnung sei «das marktwirtschaftliche Ordnungsprinzip von Angebot und Nachfrage, Wettbewerb und dezentralen Investitionsentscheidungen am effektivsten», um «die notwendige Bedarfsdeckung zu gewährleisten».(2)

Behauptet wir also, dass private Unternehmen öffentlichen oder anderen nicht gewinnorientierten Wohnungsversorgern überlegen sind. Es wird so getan, als seien der freie Markt und nach Prinzipien ökonomischer Rationalität handelnde Akteure am besten dazu in der Lage, eine ausreichende Anzahl von Wohnungen zu den nachgefragten Bedingungen bereitzustellen und sinnvoll zu verteilen.

Was ist dran?

Zunächst einmal: Der vielbeschworene freie Wohnungsmarkt ist eine Fiktion. Der Wohnungssektor ist in der Bundesrepublik tatsächlich ein hoch subventionierter Wirtschaftsbereich. Für die Kosten von Bau und Kauf eines Wohnhauses können ganz regulär im Rahmen einer linearen Abschreibung 2 Prozent der Kosten von der Steuer abgesetzt werden.(3)

Das ist in 25 Jahren etwa ein Drittel der gesamten Investitionskosten. Im Zeitraum von 1990 bis 2014 wurden privaten Bauherren und Eigeheimbesitzerinnen über die normale Abschreibung hinaus zusätzliche Steuervorteile von über 100 Milliarden Euro gewährt – das entspricht über 4 Milliarden Euro pro Jahr. (4)

Erst in den letzten Jahren wurden diese Sonderabschreibungen gedeckelt auf etwa eine Milliarde Euro pro Jahr. Auch wenn einzelne Abschreibungsoptionen bei der Städtebauförderung oder im Denkmalschutz sinnvoll und begründet sind, profitieren von der Subventionierung vor allem gewerbliche und gewinnorientierte Eigentümerinnen, weil Non-Profit-Bauträger per Definition keine oder nur geringe Einkommensüberschüsse erwirtschaften.

Zusätzlich fließen jährlich etwa 17 Milliarden Euro an Steuergeldern in die Kassen von Wohnungs- und Hauseigentümerinnen und zwar in Form staatlicher Kostenübernahmen für einkommensschwache Haushalte (Wohngeld und andere Mietübernahmen und -zuschüsse).(5)

Außerdem ist der Wohnungsmarkt auch in anderer Hinsicht kein typischer Markt, weil es ihm sowohl an Transparenz als auch an Anpassungsfähigkeit mangelt und weil bei der Vergabe von Wohnungen– anders als etwa beim Verkauf von Autos persönliche Präferenzen eine wichtige Rolle spielen. Viele Menschen mit ausländisch klingenden Namen oder kinderreiche Familien können ein Lied davon singen, wie sie bei der Wohnungssuche manchmal ganz offen, manchmal verdeckt diskriminiert werden.(6)

Unter den gegenwärtigen Bedingungen erfolgt die Verteilung von Wohnungen vor allem nach dem Kriterium der Zahlungskraft der Nachfragenden. Wohnungssuchende mit geringen Einkommen haben dabei systematisch das Nachsehen, sodass insbesondere ihre «Bedarfsdeckung» auf der Strecke bleibt. Da es in der ökonomischen Rationalität des unternehmerischen Wettbewerbs keine Anreize gibt, soziale Belange zu berücksichtigen, lässt sich auch von einer sozialen Blindheit des Wohnungsmarkts sprechen. Dieser Markt versagt schon bei der Her- und Bereitstellung ausreichend preiswerter Wohnangebote. Private Investoren konzentrieren sich in der Regel auf die Hochpreissegmente und auf Eigentumswohnungen. Privat gebaute Mietwohnungen sind auch für Haushalte mit durchschnittlichen Einkommen fast immer zu teuer. Von den Mietwohnungen, die in den vergangenen Jahren in den 20 größten Städten von privater Hand errichtet wurden, konnte sich das Gros der Bevölkerung nur 4,7 Prozent leisten.(7)

Als leistbar gilt eine Wohnung dann, wenn ein durchschnittlicher Haushalt höchstens 30 Prozent seines Einkommens für die Kaltmiete aufwenden muss. Auch bei der Bewirtschaftung von Wohnungsbeständen tun sich private Unternehmen erfahrungsgemäß mehrheitlich nicht gerade durch die Übernahme sozialer Verantwortung hervor. In der Praxis bedeutet ihre Orientierung an einer wirtschaftlich rationalen Optimierung von Einnahmen und Ausgaben, dass alle Möglichkeiten zu Mietsteigerungen ausgeschöpft werden, solange sie durchsetzbar sind. Zugleich sind Instandsetzung-Arbeiten und Modernisierungen von Wohnungen immer nur dann rational, wenn sie höhere Ertragserlöse versprechen. Das Ziel einer unternehmerischen Bewirtschaftung sind nicht gute Wohnverhältnisse oder zufriedene Mieterinnen, sondern eine möglichst hohe Rendite. Lässt die soziale Lage in bestimmten Gebieten keine hohen Mieteinnahmen zu, sparen viele private Wohnungsunternehmen bei den Instandhaltungskosten, was häufig zur Verwahrlosung der Wohnbestände und ihres Umfeldes beiträgt.

Fazit: Da sich mit unterdurchschnittlichen Mieten keine überdurchschnittlichen Renditen erzielen lassen, gibt es faktisch keine unternehmerische Motivation für die Bereitstellung und Pflege von preiswertem Wohnraum.


1 Haus & Grund Stuttgart: Tag des Eigentums 2015: Hausbesitzer wehren sich gegen Reglementierung, Pressemitteilung vom 24.10.2015.

2 FDP–Freiburger Thesen, zitiert nach Brech, Joachim: Die Positionen gesellschaftlicher Organisationen zur Frage der Wohnungsversorgung, in: ders.(Hrsg.): Wohnen zur Miete. Wohnungsversorgung und Wohnungspolitik in der Bundesrepublik, Weinheim/Basel1981,S.303.

3 Einkommensteuergesetz (EStG) §7 Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung.

4 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages: Sonderabschreibungen für den Wohnungsbau 1980 bis 2015 (WD4-3000-088/16), Berlin 2016; Wissenschaftliche Dienste des deutschen Bundestages: Steuern auf Wohnimmobilien (WD4-3000-133/20), Berlin 2020; Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln: Evaluierung von Steuervergünstigungen. Evaluierungsgruppe D: Einkommensteuer–Wohnungswesen und Städtebau, FiFo-Berichte Nr.28-D, Köln2019.

5 Deutscher Bundestag: Wohngeld-und Mietenbericht 2018. Unterrichtung durch die Bundesregierung (Drucksache 19/11750), Berlin2019.

6 Vgl. zu Diskriminierungen auf dem Wohnungsmarkt Planerladen e.V.: Ungleichbehandlung von Migranten auf dem Wohnungsmarkt, Dortmund 2007; Kiliç, Emsal: Diskriminierung von Migranten bei der Wohnungssuche–eine Untersuchung in Berlin, in: LADS (Hrsg.): Deutscher Name halbe Miete?Gleichberechtigte Zugänge zum Wohnungsmarkt gewährleisten, Berlin 2010, S.25–28; Müller, Annekathrin: Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt Strategien zum Nachweis rassistischer Benachteiligungen, Berlin 2015.

7 Diese Angaben beruhen auf Berechnungen des NDR-Magazins Panorama, das hier zu Marktdaten des Forschungsinstituts Empirica herangezogen hat. Vgl.Müller, Benedikt: Neue Mietwohnungen sind zu teuer, in: SüddeutscheZeitung, 23.6.2016. Studien von 2019 bestätigten diese Situation. Vgl. dazu «Neubauwohnungen für Durchschnittsverdiener kaum noch bezahlbar», in: Zeit Online, 24.1.2019.